Daß Künstliche Intelligenz (KI) einen Beitrag zur Lösung technologischer und wissenschaftlicher Probleme leisten kann, steht außer Frage. Die KI-basierte Diagnose von Krankheiten, das Erkennen und Übersetzen menschlicher Sprache, die energetische Optimierung von Rechenzentren und anderes gehören bereits jetzt zum Alltag und viel mehr wird in den nächsten Jahren möglich sein. Doch vor allem in Zeiten des schnellen technologischen Wandels, fragiler politischer Konstitution, sozialer Umbrüche und Identitätskrisen, müssen die gesellschaftlichen Auswirkungen der Entwicklung von KI bedacht werden.
Wir stehen am Anfang der Entwicklung von KI. So wie es für die Genetik gelang, desaströse Entwicklungen zu vermeiden (Asilomar Konferenz zu Genetik, 1975), sollte es auch für die KI angestrebt werden. Andernfalls muss zumindest mit negativen Folgen, wenn nicht existenziellen Gefahren gerechnet werden, wie wir sie bei der Entwicklung der nuklearen Energie und Waffentechnik, der Automatisierung industrieller Fertigung und der Verbrennungstechnologien erlebt haben. Ein Teil der weltweiten technologischen Elite hat dafür inzwischen ein starkes Bewusstsein (Asilomar Konferenz zu KI, 2017).
Der NEKI-Preis ist der erste Preis, der innovative Ideen und Projekte aus allen Bereichen (Technologie, Rechtswissenschaften, Public Policy, Influencing) auszeichnet, die Lösungen zu gesamt-gesellschaftlichen Gefahren der Entwicklung von KI bereitstellen. Als Orientierung werden unter Themen einige beispielhafte Probleme und mögliche Lösungsansätze diskutiert.
Wir akzeptieren weltweite Einreichungen.
- Veränderung der Erwerbsgesellschaft: Automatisierung 4.0
- „The winner takes it all“
- Politische Meinungsbildung: Filterblasen, Echokammern
- Interkulturelle Kommunikation, Integration & Bildung
- Identität und Existenz
- Verschmelzung von Mensch und Maschine
Die Veränderung der Erwerbsgesellschaft durch KI-basierte Automatisierung ist absehbar. Wenn eine Million Fernfahrer in Deutschland durch autonomes Fahren arbeitslos werden, können sie nicht „einfach“ einer anderen Tätigkeit nachgehen. Falls KI die Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit, wird dies zu einem extremen sozialen Ungleichgewicht führen.
Eine Studie der Universität Oxford kommt zu dem Schluss, dass bis 2030 rund 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA der Automatisierung zum Opfer fallen könnten. [...] Laut einer Studie von Volkswirten der ING-Diba-Bank sind 59 Prozent aller Arbeitsplätze gefährdet; von den rund 31 Millionen sozialversicherungspflichtigen und geringfügigen Beschäftigten hierzulande könnten 18 Millionen von Robotern und Software ersetzt werden. (Die Zeit, 2016)
Vergleichbare Entwicklungen gibt es auch in der Geschichte: die Ersetzung handwerklicher mit industrieller Produktion und die Anfänge der automatisierten Fertigung (Geschichte-Wissen, 2009).
Wie stellen wir uns die Erwerbsgesellschaft der Zukunft vor? Wohl sollten Menschen einer möglichst erfüllenden Tätigkeit nachgehen können. Doch welche politische Steuerung braucht es, um dieses Ziel bei der schrittweisen Automatisierung durch KI, zu fördern? Wenn man das konkrete politische Konzept an dieser Stelle offenlässt, stellt sich immer noch die Frage der Kommunikation und der Findung von Mehrheiten für solche Konzepte. Es gibt in Deutschland zurzeit beinahe keine öffentliche Diskussion zum Thema. Wie kann diese Diskussion, evtl auch technologisch, befördert werden?
Die Skalierbarkeit von KI-Technologie erzeugt eine Konzentration von Technologie auf wenige Institutionen: Unternehmen, Staaten oder Privatpersonen. Eine Vergemeinschaftung von KI-Technologie mit der Ermöglichung des offenen Zugangs für alle sollte dieser Tendenz entgegenwirken. So auch der Ansatz von OpenAI. Ein reines Veröffentlichen von Programmcodes und Paketen, wie Tensorflow und ähnliche, wird aber auch in Zukunft Nutzungen auf eine technologische Elite beschränken. Kann eine Plattform wie Android, die es einer Masse an Menschen ermöglicht hat, mit eigenen Produkten und Lösungen das digitale Leben zu gestalten, auch für KI möglich werden? Das heißt, kann es offene Alternativen zu Apples Core ML geben? Ein „Ubuntu der KI“?
Die stark von Algorithmen und KI beeinflusste politische Meinungsbildung stellt uns vor große Herausforderungen. Politische Lösungen sind nicht in Sicht. Sind dagegen technologische Lösungen denkbar? Könnten, im einfachsten Fall, die dominierenden Technologiekonzerne überzeugt werden „Alternativdarstellung einzublenden“? Wie müsste das algorithmisch gelöst werden? Könnten die Algorithmen so gestört werden, dass Technologiekonzerne ihre Nutzer immer noch zufriedenstellen, aber mehr Objektivität in die Informationsverbreitung im Internet bringen? Womöglich genügt eine kleine „Störung“, ein geringer anders gearteter Impuls, der über die direkte Befriedigung der Nutzerinteressen hinausgeht. Er müsste womöglich nicht mal versuchen „Objektivität“ zu codieren; ein Zufallsimpuls könnte genügen.
Kann KI helfen, die Kommunikation zwischen Menschen verschiedener Kulturen zu erleichtern oder Menschen einer anderen Kultur zu integrieren? Ohne Zweifel kann das Erlernen einer Fremdsprache durch KI-basierte Technologie einer viel größeren Zahl ermöglicht werden. Was bedeutet es aber, wenn der Austausch zwischen Menschen dabei verloren geht? Welche gefahren birgt es, wenn KI menschliche Interaktion ersetzt. Welche Chancen bietet KI dennoch?
Im Kern könnte die Entwicklung von genereller KI unser Selbstverständnis als Menschen „angreifen“. Vielen Menschen bereitet die Vorstellung von „künstlichem Leben“ – mit Hilfe von Gentechnik designetes Leben – Unwohlsein. Ein ähnlicher Effekt kann eintreten, wenn Computer Tätigkeiten übernehmen, mit denen sich Menschen identifizieren; oder die zumindest ihren Alltag prägen. Neben dieser psychologischen, existenziellen Bedrohung ist im Prinzip auch eine physische existenzielle Bedrohung denkbar, in dem eine auf KI basierte weltweite Infrastruktur bewusst oder unbewusst in einen Zustand gebracht wird, in dem sie sich gegen Menschen wendet. Es stellt sich also die Frage, ob die Forschung an künstlicher Intelligenz ähnliche Debatten wie zum Beispiel die Gentechnologie führen sollte. Ein Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte war die erfolgreiche Selbstregulation der genetischen Forschung nach der Asilomar Conference on Recombinant DNA im Jahr 1975. Man hatte sich darauf geeinigt, dass Experimente, die DNA verschiedener Lebewesen kombiniert, zum Großteil verboten werden sollten. Reichen die Beschlüsse der Asilomar Konferenz zu KI, 2017 aus, um alle Gefahren zu umgehen?
Algorithmen verändern das Leben der Menschen bereits seit vielen Jahren. Google, Facebook und viele andere Technologieunternehmen entscheiden anhand undurchsichtiger Kriterien, welche Informationen Menschen konsumieren und nehmen damit substanziell Einfluss auf das Leben der Menschheit als Ganzes. Die Frage, ob der Mensch mit der Maschine verschmelzt stellt sich möglicherweise nicht, da diese Verschmelzung bereits seit langem im Gange ist. Wie kann/ wird eine solche Verschmelzung in Zukunft aussehen? Kann der einzelne Mensch in Zukunft Einfluss auf die Intensität der Verschmelzung nehmen?